Erfolgsfaktoren der dualen Ausbildung in Deutschland

 

 

 

Mehr als nur zwei Lernorte

Das einfache Prinzip der zwei Lernorte erweist sich auf den zweiten Blick als ein hochkomplexes und damit kompliziertes System, das historisch gewachsen ist und seine Wurzeln im mittelalterlichen Zunftwesen hat. Das deutsche duale System der beruflichen Bildung wird nicht nur durch zwei Lernorte bestimmt, diese werden durch zwei grundverschiedene Rechtssysteme reguliert, dem Berufsbildungs- und Arbeitsrecht einerseits und den Schulgesetzen andererseits. Entsprechen unterschiedliche sind auch die das System verwaltenden und organisierenden Institutionen, die Selbstverwaltung der Wirtschaft für die betriebliche, die Schul- und Kultusverwaltung für die schulische Ausbildung. Wie dieses System funktioniert, sollen die folgenden Ausführungen zeigen.


Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingen
Die Ausbildung im Betrieb wird durch ein eigenes Gesetz (BBiG) reguliert, und durch Institutionen der Wirtschaft selbst verwaltet. Entscheidungen werden in den Institutionen drittelparitätisch von Vertretern der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Berufsschulen getroffen.


Selbstverwaltung der Wirtschaft

Den rechtlich-organisatorischen Rahmen für die betriebliche Ausbildung bietet die Selbstverwaltung der Wirtschaft, die sich in Kammern organisiert. Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. D.h. es gibt einen verbindlichen Rechtsrahmen, in dem die Selbstverwaltung stattfindet. Alle Unternehmen müssen Mitglied einer Kammer sein, wählen deren Vorstand. Die Arbeit der Kammern wird durch Beiträge der Mitglieder und Gebühren (z. B. für Prüfungen) finanziert. Sie sind damit von staatlichen Zuwendungen unabhängig. Die Kammern sind regional organisiert. Es gibt Kammern für unterschiedliche Wirtschaftszweige, zahlenmäßig relevant sind vor allem die Industrie und Handels- (IHK) und die Handwerkskammern (HK).
Nach dem BBiG sind die Kammern „zuständige Stellen“ für die Verwaltung der betrieblichen Ausbildung. Sie führen das Verzeichnis aller Ausbildungsverhältnisse und führen die Prüfungen durch.


Mitbestimmung im Betrieb
Für die Vertretung ihrer Interessen und zur Überwachung gesetzlicher Vorschriften können Arbeitnehmer einen Betriebsrat wählen. Zu den wichtigsten Aufgaben eines Betriebsrates gehört die Mitbestimmung in der Aus- und Weiterbildung, insbesondere die Kontrolle der Einhaltung der Ausbildungsordnung. Jugendliche Arbeitnehmer und Auszubildende können eine eigene Vertretung wählen, die ihre Belange gegenüber dem Betriebsrat vertritt.
Berufe und Ausbildungsordnungen
Die berufliche Bildung nach dem Berufsbildungsgesetz ist nach Berufen gegliedert, die durch Ausbildungsordnungen geregelt werden. Die Ausbildungsordnungen beschreiben, welche Inhalte in der betrieblichen Ausbildung vermittelt werden müssen, geben eine Empfehlung für die zeitliche Gliederung der Ausbildung und legen die Prüfungsanforderungen fest. Ausbildungsordnungen werden von Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam erarbeitet und von einem Ministerium als Rechtsverordnung erlassen. Parallel werden Rahmenrichtlinien für den Berufsschulunterricht erarbeitet, die sich an den Vorgaben der Ausbildungsordnungen orientieren.


Kosten und Nutzen dualer Ausbildung
Weil der größere Anteil der Qualifizierung von Betrieben durchgeführt wird, werden die öffentlichen Kassen entsprechend entlastet. Zudem gewährleisten die Betriebe eine Ausbildung auf ihrem aktuellen Stand der Technik, der sich in Berufsschulen nur mit erheblichen Investitionen erreichen ließe. Darüber hinaus müssen Betriebe ihren Auszubildenden Vergütungen zahlen, die damit die privaten Haushalte unterstützen und Stipendienprogramme überflüssig machen.
Handlungs-, Prozess- und Systemorientierung
Die Didaktik für die betriebliche Ausbildung orientiert sich durchgängig am praktischen Arbeitshandeln und betrieblichen Prozessen. Handlungsorientierte Ausbildungskonzepte beginnen mit auszuführenden Arbeitsaufgaben und leiten daraus die dafür notwendigen Fachkenntnisse ab. Mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt nimmt der Bedarf von Systemkompetenzen zum Verständnis für Steuerungs- und Regelungsprozesse zu.